Das Land Niedersachsen erhöhte durch eine Allgemeinverfügung die täglich erlaubten Höchstarbeitszeiten u.a. für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen auf 12 Stunden bei maximal 60 Stunden wöchentlich.

Bisher galt für Pflegekräfte eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich. Nur in besonderen Ausnahmefällen durften Arbeitgeber den Arbeitstag auf maximal 10 Stunden ausdehnen.

Mit Verfügung Nr. 40012-1-15-02 sollen zur Unterstützung der Corona-Maßnahmen Pflegekräfte sowie Mitarbeiter von Not- und Rettungsdiensten, Justizmitarbeiter, Soldaten, Polizisten sowie  Angestellte in Verkehrs-, Versorgungs- und Entsorgungsbetrieben einen erhöhten Arbeitsaufwand durch Mehrarbeit auffangen. Eine nennenswerte Erhöhung der Mitarbeiterzahl gab es hingegen nicht.

Sozialministerin Dr. Carola Reimann erklärte dazu:

„Mit der getroffenen Regelung ermöglichen wir, dass in Berufsgruppen, die unmittelbar mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt sind, zeitlich flexible Lösungen im Einklang mit dem Arbeitszeitgesetz gefunden werden können. Diese Allgemeinverfügung löst aber keine Verpflichtung aus, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten.“

Die Anordnung von Mehrarbeit ist laut Landessozialministerium auch weiterhin mitbestimmungspflichtig. Das heißt: In den Betrieben sind die betrieblichen Interessenvertretungen zur Anordnung von Mehrarbeit anzuhören und einzubinden, sodass die Interessen der Beschäftigten auf diesem Wege vertreten werden. Ziel der aktuellen Allgemeinverfügung sei es, einen rechtlichen Rahmen für zeitlich befristete und flexible Lösungen zur Bewältigung Corona-Pandemie zu schaffen. Wenn jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, die geleistete Mehrarbeit wie bisher auch auszugleichen.

Die Pflegekammer Niedersachsen kritisiert, dass sie als Vertreterin der Pflegekräfte nicht im Vorfeld einbezogen wurde. Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, erklärte dazu:

„Monatelang hat das Land verschlafen, die medizinischen Einrichtungen auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten. Jetzt sollen wieder die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Situation retten. Dürfen jetzt auch Teilzeitbeschäftigte zu täglich zwölf Stunden Dienst verpflichtet werden? Wir hätten uns gewünscht, dass Vertreterinnen und Vertreter der Pflege im Vorfeld angehört worden wären. Die Landesregierung macht nicht nur eine Politik vorbei an den Interessen der Pflegenden, sie torpediert sogar das jahrelange Bemühen, Pflegeberufe attraktiver sowohl für derzeit Beschäftigten als auch den dringend benötigten Nachwuchs zu machen. Die Regierung sollte sich schämen, auf den Rücken der Menschen, die das System am Laufen halten, ihre eigenen jahrelangen Fehler in der Pflegepolitik auszubügeln.“

Die Allgemeinverfügung des Landes enthält weder Regelungen über Ausgleichstunden noch über finanziellen Entschädigungen für die Mehrarbeit. Lediglich ein Ersatzruhetag innerhalb von acht Wochen ist für geleistete Sonn- und Feiertagsarbeit zu gewähren.

Kammerpräsidentin Nadya  Klarmann betonte, dass das Gesundheitssystem nicht zusammenbreche, weil Betten oder Beatmungsgeräte fehlen, sondern weil die Pflegefachpersonen „in einer nie zuvor da gewesenen Art und Weise verheizt werden“.

Schon jetzt bedeuten 8-Stunden-Schichten in voller Covid-19-Schutzausrüstung eine extreme körperliche und psychische Belastung für Beschäftigte in der Pflege.

„Eine weitere Ausdehnung der Arbeitszeit ist unter keinen Umständen zu akzeptieren und wird die Kolleginnen und Kollegen aus dem Beruf treiben“, prophezeit die Kammerpräsidentin.

Die Pflegekammer fordert das Land Niedersachsen daher auf, die Allgemeinverfügung „umgehend zu widerrufen, um nicht jegliche Glaubwürdigkeit gegenüber den in der Pflege Beschäftigten in Niedersachsen zu verspielen“.